Zum Einstieg bezaubert Mirjana Rajić mit sechs Bagatellen von Beethoven, einem Klassiker der Klavierliteratur. Mit zartem Anschlag verleiht sie den kurzen Stücken sangliche Leichtigkeit, ohne das vorwärtsdrängende, temperamentvolle Moment in Beethovens Musik dabei zu ignorieren. Die Werke wirken in ihrer Schlichtheit unmittelbar und eindrücklich – Mirjana Rajić macht sensibel interpretierte Klaviermusik so zu einem intensiven Erlebnis. Bei Franz Liszts Zyklus „Venezia e Napoli“ etwa sieht man im ersten Satz tatsächlich vor dem inneren Auge die Gondeln schaukeln. Rajić interpretiert sehr gefühlvoll und tiefsinnig, lässt den zweiten Satz mit rasenden Fingersätzen dann eindringlich aufleben, bevor der dritte wieder in ruhigere Gefilde segelt.
Die Dramaturgie ist sehr klug gewählt, am Ende erscheint es als würden sich diese drei doch ganz verschiedenen Stücke auf intelligente Weise ineinander verschränken und ergänzen. Mirjana Rajić verzichtet jedoch darauf, ihre Konturen zu verwischen. Sie spielt klar und ausdrucksvoll, betont den Charakter der verschiedenen Werke, ohne ihn übertrieben zur Schau zu stellen. Dabei arbeitet sie sich scheinbar spielend leicht von feinsinniger Innerlichkeit bis hin zu virtuosen Klangkaskaden. Am Ende steht mit Prokofjews Sonate Nr. 8 op. 84 B-Dur das vielleicht intensivste, lebendigste Werk der Aufnahme. Ernst und hochemotional, tiefgründig wie der Spiegel nimmt Mirjana Rajić ihre Hörer von der ersten bis zur letzten Minute gefangen.